Die Klänge der Stadt – Fieldrecording und Geräuschcollagen

with No Comm­ents

von Gis­bert

Ohren­be­täu­ben­der Lärm von Autos und Bah­nen, akus­ti­sche Reiz­über­flu­tung und klang­li­ches Durch­ein­an­der. Es gibt eini­ge gute Grün­de, die Klän­ge der Stadt vor allem aus­blen­den zu wol­len. Städ­ti­sche Geräu­sche kön­nen anstren­gen, ner­ven, und ja, auch das Gehör belas­ten und schädigen.

War­um also sich aus­ge­rech­net die­sen Klän­gen zuwenden?

Geräusche aufnehmen und erzeugen – historische Beispiele

Die Idee, sich Geräu­schen mit künst­le­ri­scher Absicht zu nähern, ist nicht neu. Lud­wig Karl Koch mach­te bereits 1889 das ers­te soge­nann­te field recor­ding, also eine Auf­nah­me von Klang nicht-mensch­li­chen Ursprungs: den Gesang eines Vogels. Spä­ter brach­te er soge­nann­te „tönen­de Bücher“ her­aus, Bücher die Tex­te und Bil­der mit Klang­auf­nah­men auf Schall­plat­te zusam­men­brach­ten, so zum Bei­spiel ein Klang­pan­ora­ma der Stadt Leipzig.

Lui­gi Rus­so­lo, ita­lie­ni­scher futu­ris­ti­scher Maler und Kom­po­nist schrieb 1913 sein Mani­fest L’arte dei rumo­ri (Die Kunst der Geräu­sche) und ent­wi­ckel­te eine gan­ze Rei­he von Geräu­sche erzeu­gen­den Maschi­nen, den soge­nann­ten Into­na­ru­mo­ri. Rekon­struk­tio­nen die­ser Instru­men­te sind im Video unten zu sehen bei Auf­füh­run­gen auf der Per­for­ma Bien­na­le in 2009:

Lui­gi Rus­so­los Geräusch­ma­schi­nen in Aktion

Wir, Jen­nie Zim­mer­mann und ich, Gis­bert Schü­rig, haben in einem zwei­tä­gi­gen Kurs an der VHS Pan­kow im Juli 2023 Mög­lich­kei­ten ange­bo­ten, künst­le­risch mit den den Klän­gen der Stadt zu arbeiten.

Musik, Klangkunst und Hörspiel

Die künst­le­ri­sche Arbeit mit Auf­nah­men von Geräu­schen kann in sehr unter­schied­li­che Rich­tun­gen gehen.

Ich kann zum Bei­spiel Geräu­sche nut­zen, um damit rhyth­mi­sche Musik zu machen, als Bei­spiel Foley Beats von Gourski:

Die Geräu­sche kön­nen dann im Arran­ge­ment vor allem eine ähn­li­che Rol­le ein­neh­men wie eben­falls geräusch­haf­te Schlag­zeug­klän­ge, aber auch melo­di­sche Mus­ter sind möglich.

Ver­zich­te ich auf rhyth­mi­sche oder melo­di­sche Mus­ter, wie sie typisch sind für das, was wir „Musik“ nen­nen, bewe­ge ich mich in den Bereich der Klang­kunst. Hier die Sonic Dream­Spaces von Bill Fontana:

Je nach Her­an­ge­hens­wei­se gibt es für das Arbei­ten mit Klang in der Zeit aber auch ein gan­ze Rei­he ande­rer Bezeich­nun­gen die mit jeweils unter­schied­li­chen Schwe­punkt­set­zun­gen ein­her­ge­hen: Geräusch­mu­sik, musi­que con­cre­te, soundscapes.

Ver­bin­de ich das Arran­gie­ren von Geräu­schen mit Text oder ori­en­tie­re mich bei der Zusam­men­stel­lung an einer erzäh­le­ri­schen Logik kann das Ergeb­nis Hör­spiel-Cha­rak­ter haben, hier bei­spiel­haft „The Dreams“ von Delia Derbyshire:

Mehr aus der Geschich­te der Klang­kunst im Hör­fea­ture „Lärm und Stil­le. Audio Art.“ des Deutschlandfunk

Aufnahmen machen

Geräusch­auf­nah­men zu machen ist heu­te so leicht wie nie zuvor. Wir sind im Kurs so vor­ge­gan­gen, dass alle die Sprach­me­mo-Soft­ware ihres Smart­phones zum Auf­neh­men genutzt haben. Möch­ten man bes­se­re Klang­qua­li­tät und Ste­reo-Auf­nah­men haben, kann man sich natür­lich auch ent­spre­chen­de Gerä­te anschaf­fen, hier eine Bera­tung dazu von Ama­zo­na.

Beim Auf­neh­men mit Smart­phones erwies es sich als beson­ders wich­tig, das Mikro­fon des Gerä­tes vor direk­tem Wind zu schüt­zen: die­ser ergibt auf der Auf­nah­me lau­tes Dröh­nen und über­tönt alle wei­te­ren Geräu­sche. Vie­le Sprach­me­mo-Apps haben die Mög­lich­keit, Auf­nah­men zu kür­zen, so dass sich sol­che Stör­ge­räu­sche auch im Nach­gang ent­fer­nen las­sen, wenn sie nur gele­gent­lich auf­tau­chen. Außer­dem wich­tig: die Auf­nah­men benen­nen, so dass man spä­ter eine gute Über­sicht über die Klän­ge hat.

Klangcollagen

Beim Arbei­ten mit den Auf­nah­men haben wir uns für eine per­for­ma­ti­ve und koope­ra­ti­ve Mög­lich­keit ent­schie­den: Smart­phones mit einem Misch­pult ver­bin­den, so dass sich meh­re­re Klän­ge par­al­lel abspie­len las­sen. Die Klän­ge kön­nen dann mit den Laut­stär­ke- und Klang­reg­lern des Misch­pul­tes wei­ter­ge­hend gestal­tet wer­den, z. B. stö­ren­de tie­fe Fre­quen­zen bei einer Auf­nah­me von Vogel­ge­sang ent­fer­nen, oder aber beim Brum­men eines vor­bei­fah­ren­den Bus­ses eben jene tie­fen Fre­quen­zen beson­ders beto­nen damit es schön dröhnt.

Man­che Smart­phones haben aller­dings nur einen Blue­tooth-Aus­gang für Audio und kei­nen Kopf­hö­rer­an­schluss mit klei­nem Klin­ken­ka­bel, da funk­tio­niert die­se Kon­stel­la­ti­on dann lei­der nicht. In die­sem Fall war die Lösung, die enst­pre­chen­den Klän­ge auf ein ande­res Smart­phone zu übertragen.

Hier ein kur­zer, sehr fei­ner Gang durch eine Rei­he ver­schie­de­ner Klang­er­eig­nis­se, der im Rah­men des Work­shops ent­stan­den ist:

Von einem Klang zum nächsten

In einer wei­te­ren Per­for­mance haben die Teil­neh­me­rin­nen Mög­lich­kei­ten erkun­det, Geräusch­auf­nah­men mit einem Delay-Effekt in rhyth­mi­sche Kon­stel­la­tio­nen zu brin­gen, hier visua­li­siert mit der Over­to­ne Ana­ly­zer Soft­ware (hier eine kos­ten­lo­se Vari­an­te). Dröh­nen­de Wind­ge­räu­sche, die in einem zar­ten Klang­pan­ora­ma stö­ren mögen, die­nen hier als rhyth­mi­sche Akzente:

Eine Klang­col­la­ge bei der sich per Delay-Effekt immer wie­der rhyth­mi­sche Kon­stel­la­tio­nen ergeben

Hier die Noti­zen, die als Par­ti­tur für die­se Per­for­mance dienten:

Wei­te­re The­men des Kur­ses waren die gra­fi­sche Nota­ti­on von Klang und die geräusch­haf­ten Mög­lich­kei­ten der Stim­me. Zeich­nen, Tönen und mit­ein­an­der Gestal­ten waren ein Genuss und das beant­wor­tet die Ein­gangs gestell­te Fra­ge nach dem Sinn, sich mit den Klän­gen der Stadt zu beschäf­ti­gen: es macht Spaß und bereichert.